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Nachdem fast ein Jahr seit dem letzten Transport vergangen ist, können
wir am Freitag, den 31.03.2000 endlich wieder in Richtung Kroatien
und Bosnien aufbrechen. Viele Schwierigkeiten bürokratischer
und zolltechnischer Art haben die Durchführung von Transporten
in der letzten Zeit verhindert. Es war uns nicht möglich, einen Weg
zu finden, die Hilfsgüter nach Bosnien zu deklarieren. Jetzt
hat sich endlich eine Möglichkeit über eine katholische Kirchengemeinde
im bosnischen Zeravac ergeben. Gemeinsam mit dem dortigen Pfarrer
Fra Anto Tomas und dem Jugendpfarrer in Slavonski Brod Zdravko Duvnjak
konnten im Vorfeld die nötigen Formalitäten erledigt werden.
Die Unterstützung der genannten Gemeinde in Zeravac sieht TSW
als sinnvolles Ziel für die nähere Zukunft. Dieser Ort liegt
in der Nähe von Derventa, ca 20 km südlich von Slavonski
Brod in Bosnien und Herzegowina (serbischer Teil) und ist somit in
einer Zeit erreichbar, die für einen Transport von München
aus üblicherweise veranschlagt wird. Das Einzugsgebiet der Kirchengemeinde
umfasst zusätzlich einige umliegende Dörfer und hat Mitglieder
in Derventa und Bosanski Brod. Außerdem kann im Zuge dieser
Fahrten das Krankenhaus in Jakes mit versorgt werden. Einziges Problem
stellt der nunmehr 3. Grenzübergang (Bosnien/Kroatien) dar, der
auf der Fahrt zu passieren ist. Wie der Gemeindepfarrer von Zeravac
in einem Brief an Zdravko nach Slavonski-Brod schreibt, wurden während
des Krieges 1992/93 alle Kirchen, öffentliche Gebäude und Privathäuser
zerstört. Die Bevölkerung sei vor den serbischen Milizen geflohen
und musste alles zurücklassen. Wer nicht mehr rechtzeitig fliehen
konnte, sei ermordet oder in Lagern interniert worden. Die zerstörten
Häuser seien durch Plünderungen und Witterungseinflüsse
in den letzen Jahren gänzlich unbewohnbar geworden. Der Großteil
der Gemeinde ist in Slavonski Brod und Umgebung untergekommen. Die
Verwaltung konnte im Franziskaner- Kloster in Slavonski Brod eine
ãExil-UnterkunftÒ finden. Diese Menschen werden unter anderem auch
von Zdravko unterstützt. Jetzt wollen und müssen viele Leute
wieder zurück nach Zeravac auf die bosnische Seite. Hier erwartet
die Rückkehrer ein Leben voller Probleme und Entbehrungen in
ihrer zerstörten Heimat. Mit diesen Vor-Informationen und 6 LKW-Ladungen
an Hilfsgütern aller Art (Kleidung, Betten, Matratzen, Öfen,
Lebensmittel usw.) im Gepäck treffen wir Samstag Nachmittag in
Slavonski Brod ein. Wie gewohnt empfängt uns Zdravko an der Autobahn-Ausfahrt
und wir fahren ohne nennenswerte Verzögerung gleich weiter nach Svilay
zur Fähre über die Save nach Bosnien. Hier kann Zdravko
die Zollformalitäten mit unseren Zoll- Unterlagen innerhalb von
ca. 3 Stunden klären. Bemerkenswert ist, dass die Grenzen zwischen
Österreich und Slowenien sowie Slowenien/Kroatien immer unproblematischer
abfertigen und die Wartezeiten dort auf ein erträgliches Maß
zusammengeschrumpft sind. Die Fahrt geht weiter an der Save entlang
Richtung Bosanski Brod und von dort weiter Richtung Derventa nach
Zeravac. Ein Fahrzeug fährt indessen das Krankenhaus in Jakes
an, um dort Lebensmittel, Kleidung und Hygieneartikel abzuladen. Die
Gegend bis Bosanski Brod ist uns von früheren Erkundungsfahrten
und Transporten nach Jakes schon einigermaßen vertraut. Immer
noch sind fast alle Dörfer und Gehöfte völlig zerstört und unbewohnt.
Viele Felder sind nach wie vor unbestellt und nur gelegentlich ist
bescheiden betriebene Landwirtschaft erkennbar. Viele der Ruinen sind
mittlerweile zugewachsen und werden wohl nicht mehr aufgebaut. Auch
die Gefahr durch Minen ist nach wie vor allgegenwärtig. Leider
wird unser bisher bestens realisierter Zeitplan durch eine Fahrzeugpanne
zwischen Svilay und Bosanski-Brod undurchführbar. An einem Fahrzeug
tritt völlig überraschend ein Kupplungsschaden auf. Wir können
den LKW jedoch mittels Abschleppstange wieder zurück nach Slavonski
Brod bringen, nachdem die Ladung in ein anderes Fahrzeug, das zuvor
schon entladen wurde, umgeladen wird. Erst in den Abendstunden treffen
wir schließlich in Zeravac ein. Nur ein aufgeweichter, schlammiger
Weg führt zum ehemaligen Gemeindezentrum. Beiderseits des Weges
sind noch vereinzelt Mauerreste von Häusern, durch die mittlerweile
starke Vegetation kaum noch als solche erkennbar, zu sehen. Durch
die hereinbrechende Dunkelheit haben wir ansonsten kaum noch die Möglichkeit,
uns genauer umzusehen. Die Umrisse einer großen Ruine gegenüber
dem Gemeindehaus lassen jedoch eindeutig auf die frühere Kirche
schließen. Gespenstisch ragen die Mauerreste empor. Die Ausführungen
des Priesters in seinem Brief scheinen sich hier nur zu bestätigen.
Das Abladen im engen Gemeindehof zieht sich trotz der vielen anwesenden
Helfer in die Länge. Fünf Fahrzeuge unterschiedlicher Größe
müssen hier entladen werden. Der Lagerraum im Gemeindehaus füllt
sich zunehmend mit Kleidung, Schuhen, Matratzen, Bettgestellen und
Lebensmittelpaketen. Leider bleibt dadurch wenig Zeit, sich mit dem
Pfarrer, der deutsch spricht, und den anderen anwesenden Leuten zu
unterhalten. Wir erfahren, dass die ersten Rückkehrer notdürftig
im Gemeindehaus untergebracht sind und von dort aus versuchen, ihre
Häuser in Stand zu setzen. Es mangelt vor allem an bewohnbaren
Häusern, Infrastruktur, Elektrizität, Wasser und Telefon.
Die Zufahrtswege zu den Grundstücken sind zugewachsen und völlig
ruiniert. Man weiß kaum, wo mit der Hilfe zuerst begonnen werden
soll. Vorrangig wäre jedoch das Gemeindehaus, das dann als Auffanglager
dienen kann. Erst spät nachts können wir nach umständlichem
Rangieren den Ort wieder verlassen und zurück Richtung Slavonski-Brod
fahren. Wir benutzen diesmal eine Fähre zwischen Bosanski Brod
und Slavonski-Brod, die zwar gebührenpflichtig ist, den Heimweg
jedoch bedeutend verkürzt. Spät nachts treffen wir dann
im Gemeindezentrum von Zdravko ein. Es ist nicht ganz einfach, die
Reparatur des defekten LKW am Sonntag in Slavonski Brod zu organisieren.
Wir können jedoch eine Werkstatt über den ADAC hier in Salavonski
finden, die das Fahrzeug instand setzen kann, leider jedoch erst am
Montag. Uns bleibt ein wenig Zeit, uns in der Stadt umzusehen. Die
Menschen genießen die erste Frühlingssonne und flanieren
am Save-Ufer. Die Cafes in den Straßen sind gut besetzt. Die
Save-Brücke, die über Jahre hinweg zerstört war, ist wiederaufgebaut
und wartet auf ihre Eröffnung in den nächsten Tagen. Hier wird
dann ein neuen Grenzübergang nach Bosnien entstehen. Eine Hand
voll Spaziergänger seht an der Brücke und es wird offenbar
über politische Themen diskutiert. Ein etwas älterer Herr
spricht uns in gebrochenem Deutsch an, ob wir aus Deutschland wären
und was der Grund unseres Besuches sei. Er erzählt uns dann,
wie seinerzeit vor 6 oder 7 Jahren die Brücke durch Luftangriffe
der jugoslawischen Bundesarmee zerstört wurde und die gesamte Konstruktion
in den Fluss stürzte. Ob man wohl heute den Serben trauen könne,
da wäre er sich noch nicht so sicher. Der kritische Blick nach
drüben war nicht zu verkennen. Insgesamt scheint die Stimmung
jedoch eher positiv zu sein. Auch wenn die Lebensumstände für
viele Menschen hier auf der kroatischen Seite nicht sehr rosig sind,
ist doch ein gewaltiger Unterschied zur bosnischen Seite erkennbar.
Man ist schon einige Schritte weiter auf dem Weg zur Normalität
nach dem Bürgerkrieg. Die ersten Mitarbeiter treten mit ihren
Fahrzeugen am Sonntag Mittag die Heimreise nach München bzw.
Berlin an. Der Rest kann noch einen gemütlichen Abend in der
Stadt verbringen. Der defekte LKW wird schließlich Montag Abend
fertig und kommt sicher, wenn auch nicht ganz pünktlich nach
München und Ingolstadt zurück. Als sehr erfreulichen Aspekt
dieser Fahrt kann die Tatsache gewertet werden, dass wir mit dem Projekt
in Zeravac neu motiviert wurden und man sich in TSW-Kreisen über
die Fortführung dieser Transporte einig ist. So kann TSW weiter
dazu beitragen, die Not in den ehemaligen Kriegsgebieten Jugoslawiens
zu lindern. Christoph Pongratz (TSW Mitarbeiter) |
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