Bericht vom 32. TSW Transport vom 02.09 - 06.06.1999

 
   
  Zeravac  
   
  Nach vielen, teils völlig überraschend aufgetretenen Schwierigkeiten bei den Vorbereitungen des 32. Transportes können wir schließlich gegen 22.00 Uhr in München aufbrechen. Dies ist der erste Transport, der mit Unterstützung der norwegischen SFOR-Einheit der ÓNordpol-Ó Brigarde, die uns bereits nach der ersten Kontaktaufnahme ihre Hilfeleistung angeboten hat, durchgeführt wird. Da es aus zoll-formalen Gründen zur Zeit nicht möglich ist, das Heim für behinderte Menschen in Jakes, Bosnien, das bisher von TSW direkt angefahren wurde, zu beliefern, bleibt uns vorerst nur die Möglichkeit, das Angebot der SFOR wahrzunehmen. Die Weichen hierfür wurden im letzten Februar gestellt. Vier TSW- Mitarbeiter konnten während einer Informationsfahrt zum SFOR-Camp der Norweger nach Modrica (Bosnien) mit den zuständigen Leuten die Einzelheiten klären. Somit war es uns möglich, mit den formellen Vorbereitungen zu beginnen. Der ursprünglich geplante Termin über die Osterfeiertage musste aufgrund der aktuellen Ereignisse im Kosovo und den damit verbundener Schwierigkeiten, mit der SFOR in Kontakt zu bleiben, verschoben werden. Da die technisch-logistische Basis dieser Einheit in Pecs, Ungarn liegt, müssen wir diesmal von unserem gewohnten Weg abweichen und die Route über Ungarn nehmen. Dort sollen für unsere Hilfsgüter vereinbarungsgemäß Container mit den entsprechenden Fahrzeugen zum Weitertransport nach Bosnien bereitstehen. Die Güter, die für Slavonski-Brod bestimmt sind, werden mit unseren eigenen Fahrzeugen via Transit durch Ungarn dorthin gebracht und sind entsprechend deklariert. Bis Graz entspricht die neue Route unserem bisherigen Weg über Slowenien. Anschließend fahren wir über Fürstenfeld Richtung Grenzübergang Heiligenkreuz. Hier stellt sich nach einiger Zeit des Wartens heraus, dass an diesem Grenzübergang an Feiertagen nicht gearbeitet wird, d.h. keine LKW-Abfertigung durchgeführt wird. Diese Tatsache überrascht uns doch sehr, da laut Internet-Auskunft dieser †bergang 24 Stunden und an Feiertagen hätte geöffnet sein müssen. Somit bleibt uns nur die Möglichkeit, den weiter nördlich gelegenen †bergang Schachendorf anzufahren. Dies bedeutet eine weitere Verzögerung von ca. zwei Stunden und einige zusätzlich gefahrene Kilometer. Obwohl dieser Grenzübergang bedeutend kleiner ist, wird hier abgefertigt und wir können nach angemessener Wartezeit unseren Weg fortsetzen. Die weitere Strecke auf ungarischer Seite führt uns über Szombathely, Körment, Nagykanisza sowie Kaposvar nach Pecs. Eine nochmalige Verzögerung ergibt sich durch den Umstand, dass wir uns in Szombathely aufgrund mangelnder Ausschilderung verfahren und erst nach Umwegen den richtigen Weg aus der Stadt finden. Die Fahrt über die ungarischen Landstraßen erweist sich zusätzlich als sehr langwierig und wird durch diverse Baustellen und enge Straßenabschnitte erschwert. Hinzu kommen häufig Radfahrer, die bei Dunkelheit völlig ohne Beleuchtung unterwegs sind. Erst gegen 3.00 Uhr nachts treffen wir letztendlich in Pecs ein. Trotzdem werden wir noch empfangen und nach einem kurzen Gespräch mit den zuständigen SFOR-Leuten in einem Hotel einquartiert. Nach nur 4 Stunden Nachtruhe finden wir uns am Morgen des 04.06.99 im SFOR-Camp, in dem unsere Fahrzeuge abgestellt wurden, ein. Hier werden dann wie geplant die Güter, die für Jakes in Bosnien bestimmt sind, in zwei Container umgeladen. Dies ist aufgrund des schwül-warmen Wetters sehr anstrengend. Wir werden jedoch von Soldaten unterstützt und somit sind die Container bis Mittag mit Kleidung, Lebensmittel und Hygieneartikel vollständig beladen. Nach einem reichhaltigen Mittagessen in der Kantine des Camps brechen die zwei Container-Fahrzeuge, begleitet von drei TSW-Mitarbeitern, in Richtung Bosnien auf. Diese Fahrt verläuft zügig und ohne Probleme und Wartezeiten an den zwei Grenzen. Hier zeigt sich der große Vorteil, den die Befreiung der SFOR von jeglichen Zoll-Formalitäten mit sich bringt. Wie immer werden die Mitarbeiter von den Heim-Bewohnern freudig begrüßt. Wenig später kommt auch die Leiterin des Heimes und der Arzt hinzu. Da es bereits 18.00 Uhr ist, werden die Container vorerst am Eingang abgestellt. Wir beschließen zusammen mit der SFOR und der Heimleitung, die Container erst am nächsten Tag auszuladen. Die SFOR sichert uns zu, dies zu überprüfen und gegebenenfalls Personal zur Unterstützung zu schicken. Nach einem Gespräch im SFOR-Camp in Modrica verlassen wir Bosnien über die Fähre und treffen gegen 20.30 Uhr in Slavonski-Brod ein. Währenddessen stellt sich in Pecs heraus, dass eines unserer Fahrzeuge, dessen Ladung für Slavonski-Brod bestimmt ist, an der ungarischen Grenze von den dortigen Grenzern falsch deklariert wurde. Dadurch zeichnet sich ein weiteres Problem ab: Die Ware ist für Ungarn deklariert und kann so nicht nach Kroatien ausgeführt werden. Doch auch hier zeigen sich die Leute im Camp sehr kooperativ und stellen kurzfristig einen weiteren Container zur Verfügung. Es gelingt uns nur mit Mühe, die Ladung in diesem unterzubringen. Es muss jeder Winkel genutzt werden. Am späten Nachmittag können wir schließlich den randvollen Container verschließen und uns mit den Leerfahrzeugen und dem verbliebenen, beladenen LKW auf den Weg nach Slavonski-Brod machen. Der Container wird am nächsten Tag, frei von jeder Zollbürokratie, von der SFOR dorthin gebracht. Wir haben an der ungarisch-kroatischen Grenze unsere Mühe, den Beamten klar zu machen, warum unsere Fahrzeuge, bis auf einen LKW, leer sind und wir trotzdem nach Kroatien einreisen. Nach einigem Hin und Her und äußerst genauer †berprüfung der Fahrzeuge und Dokumente können wir dann unsere Fahrt fortsetzen. Wir sind froh, den von heftigen Gewitterschauern und unendlich aggressiven Mückenschwärmen heimgesuchten Grenzübergang an der Drau, die hier die Grenze zwischen Ungarn und Kroatien bildet, verlassen zu können. Da zwischen der Drau und Slavonski-Brod eine Gebirgskette zu überwinden ist, zieht sich die anschließende Fahrt noch über Stunden hin. Durch die sehr kurvenreiche Strecke kommen wir nur langsam voran und treffen erst spät am Abend in unserem Quartier in Slavonsi-Brod ein. Somit sind wir seit München annähernd 30 Stunden unterwegs. Mittlerweile haben die zwei SFOR-LKW ihre Container auf die bosnische Seite nach Jakes gebracht und wir treffen die anderen Mitarbeiter, die diesen Transport begleitet haben, wieder. Am darauffolgenden Tag, Samstag 05.06.99, trifft der dritte SFOR-LKW mit unserem Container für Slavonski-Brod ein. Zdravko hat, wie immer, eine Möglichkeit zur Zwischen-lagerung der Ware organisiert. Das Entladen des Containers geht dank der vielen Helfer rasch über die Bühne. Von hier werden dann die Güter, unter anderem mehrere gut erhaltene Öfen, von Zdravko in Slavonski-Brod und in kleineren Mengen weiter nach Bosnien verteilt. Am Nachmittag können wir uns dann im Garten des Kirchen-Centers ein wenig erholen. Neben den beiden LKW-Fahrern der SFOR tauchen dann noch die Norweger aus Pecs sowie zwei Offiziere der Bundeswehr (CIMIC-Gruppe) auf. Es entwickeln sich diverse Gespräche. Wie wir schon bei unseren letzten Fahrten nach Slavonski-Brod feststellen konnten, erweckt die Stadt den Eindruck eines sich bescheiden entwickelnden Aufschwungs. Die Cafes in den Straßen sind gut gefüllt, es fahren nicht wenig Autos umher und die Kriegsschäden an den Gebäuden verschwinden immer mehr. Der neue Krieg auf dem Balkan im Kosovo scheint hier nur mit sekundärem Interesse wahrgenommen zu werden. Trotz allem befindet sich laut Aussage Zdravkos die Region und das ganze Land, bedingt durch den vergangenen Krieg, in einer schweren wirtschaftlichen Krise und viele Menschen leben nahe am Existenzminimum. Die zerstörte Brücke, die über die Save nach Bosanski-Brod führt, ist zur Zeit nicht mehr passierbar. Das Bauwerk, das die letzten zwei Jahre durch ein provisorisch eingesetztes Teilstück ergänzt wurde, wird komplett saniert und wird erst in geraumer Zeit wieder eine Verbindung nach Bosnien darstellen. Am späteren Nachmittag dieses Tages besuchen wir zusammen mit Zdravko und Lilly ein Lager für Kosovo-Flüchtlinge in Ost-Slavonien nahe Osijek. Die Unterkünfte, die nahe einer Militär-Basis sehr abgeschieden liegen, dienten in jüngster Vergangenheit noch moslemischen Vertriebenen. Nun werden sie von Menschen aus dem Kriegsgebiet im Kosovo bewohnt. Nur vergleichsweise wenig Vertriebene aus diesem Gebiet konnten sich via Bosnien bis nach Kroatien durchschlagen. Das umzäunte Gelände, das nur durch eine durch einen Polizei-Posten überwachte Pforte, an der unsere Pässe genau kontrolliert werden, betreten werden kann, ist größtenteils mit einfachsten Wohn-Containern oder winzigen Holzhütten bebaut. Ganze Familien teilen sich Räume, die nur wenige Quadratmeter messen. Im Lager befinden sich sehr viele Kinder, die uns erwartungsvoll begrüßen und uns auf unserem Rundgang begleiten. Trotz sprachlicher Diskrepanzen gelingt es uns über Zdravko und Lilly, mit einigen Bewohnern ins Gespräch zu kommen. Die meisten Leute geben sich offen und berichten von ihrem Schicksal. Vieles ähnelt den Berichten der Medien über die schrecklichen Vorkommnisse im Kosovo. Sie wollen alle so schnell wie möglich das Lager wieder verlassen und zurück in ihre Heimat oder ins Ausland gehen. Das Leben hier sei, trotz der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln durch die Armee, von Mangel und Entbehrungen gezeichnet. †ber diese elementare Grundversorgung hinaus gebe es nichts. Wir wurden gebeten, zwei dieser Unterkünfte zu betreten, um uns ein Bild von der Situation zu machen. Die Leute müssen unter anderem dicht aneinander gedrängt auf alten Matratzen auf dem Boden schlafen. Die hygienischen Probleme werden mittels Toiletten-Containern und Bädern gelöst, deren Anzahl allerdings zu gering zu sein scheint. Das größte Problem sei jedoch, den ganzen Tag nur untätig, ohne Aussicht auf Veränderung, herumsitzen zu müssen. Mit diesen Eindrücken verlassen wir das Gelände wieder und begeben uns auf den Rückweg nach Slavonski-Brod. Vielleicht können wir über Zdravko mit dem Lager in Verbindung bleiben und diesen Leuten einen Teil unserer Lieferungen zukommen lassen. Um bei der Rückfahrt nicht unter Zeitdruck zu geraten, beschließen wir, den Heimweg nach München noch in der Nacht zum Sonntag anzutreten, zumal unterwegs in Okucani noch das letzte Fahrzeug entladen werden muss. Wir nehmen dann unseren gewohnten Rückweg über Zagreb, Maribor und Graz und treffen zu humaner Zeit am Sonntag Abend mit unseren fünf Fahrzeugen aus München, Berlin und Ingolstadt in München ein. Abschließend bleibt zu sagen, dass dieser Transport insgesamt sehr positiv verlaufen ist. Die Erfahrungen, die hier gesammelt wurden, können das nächste mal mit eingebracht werden. Die erstmalige Zusammenarbeit mit den Leuten der SFOR, denen unser aller Dank gebührt, hat trotz aller Schwierigkeiten und Verzögerungen, die sich uns in den Weg stellten, wunderbar funktioniert.