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Nach vielen, teils völlig überraschend aufgetretenen Schwierigkeiten
bei den Vorbereitungen des 32. Transportes können wir schließlich
gegen 22.00 Uhr in München aufbrechen. Dies ist der erste Transport,
der mit Unterstützung der norwegischen SFOR-Einheit der ÓNordpol-Ó
Brigarde, die uns bereits nach der ersten Kontaktaufnahme ihre Hilfeleistung
angeboten hat, durchgeführt wird. Da es aus zoll-formalen Gründen
zur Zeit nicht möglich ist, das Heim für behinderte Menschen
in Jakes, Bosnien, das bisher von TSW direkt angefahren wurde, zu
beliefern, bleibt uns vorerst nur die Möglichkeit, das Angebot der
SFOR wahrzunehmen. Die Weichen hierfür wurden im letzten Februar
gestellt. Vier TSW- Mitarbeiter konnten während einer Informationsfahrt
zum SFOR-Camp der Norweger nach Modrica (Bosnien) mit den zuständigen
Leuten die Einzelheiten klären. Somit war es uns möglich, mit
den formellen Vorbereitungen zu beginnen. Der ursprünglich geplante
Termin über die Osterfeiertage musste aufgrund der aktuellen
Ereignisse im Kosovo und den damit verbundener Schwierigkeiten, mit
der SFOR in Kontakt zu bleiben, verschoben werden. Da die technisch-logistische
Basis dieser Einheit in Pecs, Ungarn liegt, müssen wir diesmal
von unserem gewohnten Weg abweichen und die Route über Ungarn
nehmen. Dort sollen für unsere Hilfsgüter vereinbarungsgemäß
Container mit den entsprechenden Fahrzeugen zum Weitertransport nach
Bosnien bereitstehen. Die Güter, die für Slavonski-Brod
bestimmt sind, werden mit unseren eigenen Fahrzeugen via Transit durch
Ungarn dorthin gebracht und sind entsprechend deklariert. Bis Graz
entspricht die neue Route unserem bisherigen Weg über Slowenien.
Anschließend fahren wir über Fürstenfeld Richtung
Grenzübergang Heiligenkreuz. Hier stellt sich nach einiger Zeit
des Wartens heraus, dass an diesem Grenzübergang an Feiertagen
nicht gearbeitet wird, d.h. keine LKW-Abfertigung durchgeführt
wird. Diese Tatsache überrascht uns doch sehr, da laut Internet-Auskunft
dieser †bergang 24 Stunden und an Feiertagen hätte geöffnet sein
müssen. Somit bleibt uns nur die Möglichkeit, den weiter nördlich
gelegenen †bergang Schachendorf anzufahren. Dies bedeutet eine weitere
Verzögerung von ca. zwei Stunden und einige zusätzlich gefahrene
Kilometer. Obwohl dieser Grenzübergang bedeutend kleiner ist,
wird hier abgefertigt und wir können nach angemessener Wartezeit unseren
Weg fortsetzen. Die weitere Strecke auf ungarischer Seite führt
uns über Szombathely, Körment, Nagykanisza sowie Kaposvar nach
Pecs. Eine nochmalige Verzögerung ergibt sich durch den Umstand, dass
wir uns in Szombathely aufgrund mangelnder Ausschilderung verfahren
und erst nach Umwegen den richtigen Weg aus der Stadt finden. Die
Fahrt über die ungarischen Landstraßen erweist sich zusätzlich
als sehr langwierig und wird durch diverse Baustellen und enge Straßenabschnitte
erschwert. Hinzu kommen häufig Radfahrer, die bei Dunkelheit
völlig ohne Beleuchtung unterwegs sind. Erst gegen 3.00 Uhr nachts
treffen wir letztendlich in Pecs ein. Trotzdem werden wir noch empfangen
und nach einem kurzen Gespräch mit den zuständigen SFOR-Leuten
in einem Hotel einquartiert. Nach nur 4 Stunden Nachtruhe finden wir
uns am Morgen des 04.06.99 im SFOR-Camp, in dem unsere Fahrzeuge abgestellt
wurden, ein. Hier werden dann wie geplant die Güter, die für
Jakes in Bosnien bestimmt sind, in zwei Container umgeladen. Dies
ist aufgrund des schwül-warmen Wetters sehr anstrengend. Wir
werden jedoch von Soldaten unterstützt und somit sind die Container
bis Mittag mit Kleidung, Lebensmittel und Hygieneartikel vollständig
beladen. Nach einem reichhaltigen Mittagessen in der Kantine des Camps
brechen die zwei Container-Fahrzeuge, begleitet von drei TSW-Mitarbeitern,
in Richtung Bosnien auf. Diese Fahrt verläuft zügig und
ohne Probleme und Wartezeiten an den zwei Grenzen. Hier zeigt sich
der große Vorteil, den die Befreiung der SFOR von jeglichen
Zoll-Formalitäten mit sich bringt. Wie immer werden die Mitarbeiter
von den Heim-Bewohnern freudig begrüßt. Wenig später
kommt auch die Leiterin des Heimes und der Arzt hinzu. Da es bereits
18.00 Uhr ist, werden die Container vorerst am Eingang abgestellt.
Wir beschließen zusammen mit der SFOR und der Heimleitung, die
Container erst am nächsten Tag auszuladen. Die SFOR sichert uns
zu, dies zu überprüfen und gegebenenfalls Personal zur Unterstützung
zu schicken. Nach einem Gespräch im SFOR-Camp in Modrica verlassen
wir Bosnien über die Fähre und treffen gegen 20.30 Uhr in
Slavonski-Brod ein. Währenddessen stellt sich in Pecs heraus,
dass eines unserer Fahrzeuge, dessen Ladung für Slavonski-Brod
bestimmt ist, an der ungarischen Grenze von den dortigen Grenzern
falsch deklariert wurde. Dadurch zeichnet sich ein weiteres Problem
ab: Die Ware ist für Ungarn deklariert und kann so nicht nach
Kroatien ausgeführt werden. Doch auch hier zeigen sich die Leute
im Camp sehr kooperativ und stellen kurzfristig einen weiteren Container
zur Verfügung. Es gelingt uns nur mit Mühe, die Ladung in
diesem unterzubringen. Es muss jeder Winkel genutzt werden. Am späten
Nachmittag können wir schließlich den randvollen Container verschließen
und uns mit den Leerfahrzeugen und dem verbliebenen, beladenen LKW
auf den Weg nach Slavonski-Brod machen. Der Container wird am nächsten
Tag, frei von jeder Zollbürokratie, von der SFOR dorthin gebracht.
Wir haben an der ungarisch-kroatischen Grenze unsere Mühe, den
Beamten klar zu machen, warum unsere Fahrzeuge, bis auf einen LKW,
leer sind und wir trotzdem nach Kroatien einreisen. Nach einigem Hin
und Her und äußerst genauer †berprüfung der Fahrzeuge
und Dokumente können wir dann unsere Fahrt fortsetzen. Wir sind froh,
den von heftigen Gewitterschauern und unendlich aggressiven Mückenschwärmen
heimgesuchten Grenzübergang an der Drau, die hier die Grenze
zwischen Ungarn und Kroatien bildet, verlassen zu können. Da zwischen
der Drau und Slavonski-Brod eine Gebirgskette zu überwinden ist,
zieht sich die anschließende Fahrt noch über Stunden hin.
Durch die sehr kurvenreiche Strecke kommen wir nur langsam voran und
treffen erst spät am Abend in unserem Quartier in Slavonsi-Brod
ein. Somit sind wir seit München annähernd 30 Stunden unterwegs.
Mittlerweile haben die zwei SFOR-LKW ihre Container auf die bosnische
Seite nach Jakes gebracht und wir treffen die anderen Mitarbeiter,
die diesen Transport begleitet haben, wieder. Am darauffolgenden Tag,
Samstag 05.06.99, trifft der dritte SFOR-LKW mit unserem Container
für Slavonski-Brod ein. Zdravko hat, wie immer, eine Möglichkeit
zur Zwischen-lagerung der Ware organisiert. Das Entladen des Containers
geht dank der vielen Helfer rasch über die Bühne. Von hier
werden dann die Güter, unter anderem mehrere gut erhaltene Öfen,
von Zdravko in Slavonski-Brod und in kleineren Mengen weiter nach
Bosnien verteilt. Am Nachmittag können wir uns dann im Garten des
Kirchen-Centers ein wenig erholen. Neben den beiden LKW-Fahrern der
SFOR tauchen dann noch die Norweger aus Pecs sowie zwei Offiziere
der Bundeswehr (CIMIC-Gruppe) auf. Es entwickeln sich diverse Gespräche.
Wie wir schon bei unseren letzten Fahrten nach Slavonski-Brod feststellen
konnten, erweckt die Stadt den Eindruck eines sich bescheiden entwickelnden
Aufschwungs. Die Cafes in den Straßen sind gut gefüllt,
es fahren nicht wenig Autos umher und die Kriegsschäden an den
Gebäuden verschwinden immer mehr. Der neue Krieg auf dem Balkan
im Kosovo scheint hier nur mit sekundärem Interesse wahrgenommen
zu werden. Trotz allem befindet sich laut Aussage Zdravkos die Region
und das ganze Land, bedingt durch den vergangenen Krieg, in einer
schweren wirtschaftlichen Krise und viele Menschen leben nahe am Existenzminimum.
Die zerstörte Brücke, die über die Save nach Bosanski-Brod
führt, ist zur Zeit nicht mehr passierbar. Das Bauwerk, das die
letzten zwei Jahre durch ein provisorisch eingesetztes Teilstück
ergänzt wurde, wird komplett saniert und wird erst in geraumer
Zeit wieder eine Verbindung nach Bosnien darstellen. Am späteren
Nachmittag dieses Tages besuchen wir zusammen mit Zdravko und Lilly
ein Lager für Kosovo-Flüchtlinge in Ost-Slavonien nahe Osijek.
Die Unterkünfte, die nahe einer Militär-Basis sehr abgeschieden
liegen, dienten in jüngster Vergangenheit noch moslemischen Vertriebenen.
Nun werden sie von Menschen aus dem Kriegsgebiet im Kosovo bewohnt.
Nur vergleichsweise wenig Vertriebene aus diesem Gebiet konnten sich
via Bosnien bis nach Kroatien durchschlagen. Das umzäunte Gelände,
das nur durch eine durch einen Polizei-Posten überwachte Pforte,
an der unsere Pässe genau kontrolliert werden, betreten werden
kann, ist größtenteils mit einfachsten Wohn-Containern oder
winzigen Holzhütten bebaut. Ganze Familien teilen sich Räume,
die nur wenige Quadratmeter messen. Im Lager befinden sich sehr viele
Kinder, die uns erwartungsvoll begrüßen und uns auf unserem
Rundgang begleiten. Trotz sprachlicher Diskrepanzen gelingt es uns
über Zdravko und Lilly, mit einigen Bewohnern ins Gespräch
zu kommen. Die meisten Leute geben sich offen und berichten von ihrem
Schicksal. Vieles ähnelt den Berichten der Medien über die
schrecklichen Vorkommnisse im Kosovo. Sie wollen alle so schnell wie
möglich das Lager wieder verlassen und zurück in ihre Heimat
oder ins Ausland gehen. Das Leben hier sei, trotz der Versorgung mit
Grundnahrungsmitteln durch die Armee, von Mangel und Entbehrungen
gezeichnet. †ber diese elementare Grundversorgung hinaus gebe es nichts.
Wir wurden gebeten, zwei dieser Unterkünfte zu betreten, um uns
ein Bild von der Situation zu machen. Die Leute müssen unter
anderem dicht aneinander gedrängt auf alten Matratzen auf dem
Boden schlafen. Die hygienischen Probleme werden mittels Toiletten-Containern
und Bädern gelöst, deren Anzahl allerdings zu gering zu sein
scheint. Das größte Problem sei jedoch, den ganzen Tag nur untätig,
ohne Aussicht auf Veränderung, herumsitzen zu müssen. Mit
diesen Eindrücken verlassen wir das Gelände wieder und begeben
uns auf den Rückweg nach Slavonski-Brod. Vielleicht können wir
über Zdravko mit dem Lager in Verbindung bleiben und diesen Leuten
einen Teil unserer Lieferungen zukommen lassen. Um bei der Rückfahrt
nicht unter Zeitdruck zu geraten, beschließen wir, den Heimweg
nach München noch in der Nacht zum Sonntag anzutreten, zumal
unterwegs in Okucani noch das letzte Fahrzeug entladen werden muss.
Wir nehmen dann unseren gewohnten Rückweg über Zagreb, Maribor
und Graz und treffen zu humaner Zeit am Sonntag Abend mit unseren
fünf Fahrzeugen aus München, Berlin und Ingolstadt in München
ein. Abschließend bleibt zu sagen, dass dieser Transport insgesamt
sehr positiv verlaufen ist. Die Erfahrungen, die hier gesammelt wurden,
können das nächste mal mit eingebracht werden. Die erstmalige
Zusammenarbeit mit den Leuten der SFOR, denen unser aller Dank gebührt,
hat trotz aller Schwierigkeiten und Verzögerungen, die sich uns in
den Weg stellten, wunderbar funktioniert. |
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