Bericht vom 29. TSW Transport vom29.05. - 01.06.1998

 
   
  Ziel: Odzak und Jakes
Güter: {Güter}
 
   
  Auch wenn sich die Vorbereitungen des 29. Transportes sehr schwierig gestalten, können wir am Freitag-Abend mit vier Fahrzeugen und entsprechender Verspätung in München starten. Erstmalig wird die Ladung eines der Fahrzeuge direkt nach Bosnien deklariert. Hierfür werden von der Salzburger Organisation "Bauern helfen Bauern", die uns auch wieder ein Fahrzeug zur Verfügung stellt, alle nötigen Vorbereitungen getroffen und wir können die Papiere für Bosnien fertig in Salzburg übernehmen. Aus zolltechnischen Gründen müssen wir diesmal von unserer gewohnten Route über die Tauern-Autobahn und Lubljana abweichen und über Graz - Maribor fahren. Wir stellen fest, dass sich diese Strecke fahrtechnisch und entfernungsmäßig kaum von der bisherigen unterscheidet. Erfreulicherweise sind an den Grenzen die Speditionen sehr entgegenkommend, indem sie alle vier Fahrzeuge mit nur einer Gebühr abrechnen. Dies war bisher an den Stationen am Karawanken-Tunnel und in Bregana nicht möglich. Bis auf geringfügige Schwierigkeiten an der kroatischen Grenze bezüglich eines ungenauen Zertifikates für Lebensmittel können wir diese ohne weitere Probleme passieren. Die übrige Fahrt verläuft ohne Zwischenfälle. Bei Zagreb treffen wir auf unsere alte Strecke und benutzen die Autobahn bis Slavonski-Brod. Früh am Morgen des Pfingst-Sonntages brechen wir mit dem LKW für Bosnien und einem Pkw in Richtung Odzak auf. Da Gerüchten zufolge keine Hilfstransporte an der Fähre nahe Odzak mehr abgewickelt werden, fahren wir den Umweg über Orasje. (Außerdem wurde dieser Grenzübergang für die Ausfuhr in unseren Transit-Papieren vermerkt). Auch hier verkehrt eine Fähre über die Save und verbindet Kroatien mit Bosnien. Eine Brücke befindet sich allerdings zur Zeit im Wiederaufbau. Die Grenzstation in Form von vorübergehend aufgestellten Wohn-Containern befindet sich auf einem großen Schotterplatz. Hier ist sogar diverser Warenverkehr zu beobachten. Nach der lapidaren Auskunft, der Zoll arbeite am Sonntag/Feiertag nicht und wir uns schon auf Schwierigkeiten einstellen, kommt ein Grenzbediensteter mit dunkler Sonnenbrille hinter einem Container hervor und fertigt uns ab. Somit sind wir dann doch noch in der Lage, wenn auch verspätet, unseren Weg nach Odzak fortzusetzen. Die Region zwischen Orasje und Odzak ist abschnittsweise besonders schwer vom Krieg gezeichnet. Viele Dörfer sind vollständig zerstört und seit langem nicht mehr bewohnt. Mittlerweile wachsen die Ruinen völlig zu und sind durch das dichte Buschwerk kaum noch zu erkennen. Hierher wird wohl auch langfristig niemand mehr zurückkehren. Nach längerer Fahrt treffen wir letztendlich in Odzak ein. Die ca. einstündige Wartezeit auf den Zollbeamten (zu dem wir schließlich zu der nächstgelegenen Grenzstation fahren müssen) nutzen wir zu einem Gespräch mit dem anwesenden Pater Don Philippe. Anschließend entladen wir die für das Krankenhaus in Odzak bestimmten Güter. Der Großteil der Ladung des LKW ist jedoch für des Behinderten-Heim in Jakes bestimmt. Diese Anlage haben wir während unseres letzten Transportes im Rahmen einer Erkundungsfahrt bereits besucht. Nun ist es uns erstmals möglich, Hilfsgüter direkt in die bosnische Republik Srbska zu bringen. Obwohl uns die Mitarbeiter in Odzak bei den Formalitäten zur Weiterfahrt nach Srbska behilflich sind und sich auch anderweitig für die behinderten Menschen in Jakes einsetzen, begleiten sie uns nicht. Laut Auskunft einer Mitarbeiterin von Don Philippe wollen sie kein serbisches Gebiet betreten. Unsere Ankunft in Jakes ruft starke Neugier und vor allem große Freude bei den Heimbewohnern hervor. Sie kommen aus allen Ecken und Winkeln der Anlage hervor und können nur mit Mühe von den Pflegern zurückgehalten werden. Hier wird das ganze Elend, in dem sich diese Menschen befinden, deutlich. Viele von ihnen tragen nur zerlumpte Kleidung und befinden sich in einem hygienisch erbärmlichen Zustand. Der Mangel an vielen Dingen des täglichen Lebens ist nicht zu übersehen. Für fast alle dieser Leute scheint das Glück vollkommen, als sie eine Packung Zigaretten, die wir verteilen, bekommen. Gemeinsam mit der Heim-Leitung entladen wir den LKW, der Kleidung, Lebensmittel, Medizin-Schränke und eine komplette Großküche geladen hat. Wir hoffen, hiermit die Zustände ansatzweise zu lindern. Ein Staat wie Bosnien, der durch den zurückliegenden Krieg in Problemen zu versinken scheint, wird wohl kaum den Willen und die Mittel haben, sich dieser Menschen in näherer Zukunft anzunehmen. Somit ist es nur sinnvoll, eine Aktion wie diese zu wiederholen. Nach einem kurzen Gespräch mit der Heimleitung verabschieden wir uns und treten die Rückfahrt an. Auf der Fahrt zwischen Jakes und Odzak werden wir von einem serbischen Polizeiposten aufgehalten. Während der Pkw noch durchgewunken wird, muss der deutlich als Hilfstransport gekennzeichnete LKW anhalten. Nachdem die ordnungsgemäß mitgeführten Papiere vorgezeigt wurden, wird auf ein kleines Gebäude am Straßenrand hingewiesen, das offenbar ein Versicherungsbüro beherbergt. Sofort werden für den LKW DM 100,-- und für den Pkw DM 50,-- "Versicherungsprämie" fällig. Da nach Rücksprache mit unseren Haftpflichtversicherungen diese auch in Bosnien greifen und in diesem Staat auch immer nur im serbischen Teil in unterschiedlicher, willkürlicher Höhe abkassiert wird, scheint hier absolut keine einheitliche Regelung zu bestehen. Diese Tatsache lässt vielmehr auf ein völlig unfähiges, korruptes, in keiner Weise auf irgend eine Art kompetentes Verwaltungssystem schließen. Die Zukunft eines Staates, der solche Machenschaften billigt und vermutlich auch unterstützt, kann sich nicht positiv entwickeln. Den fragwürdigen Versicherungsbescheid in der Tasche wählen wir den direkten Rückweg über Bosanski-Brod und die Brücke nach Slavonski-Brod. Bemerkenswert ist, dass diese nicht mehr, wie in der Vergangenheit üblich, von SFOR-Truppen gesichert ist. Die Lage hat sich hier wohl weiter entspannt. Am Abend des selben Tages fahren wir dann die restlichen drei LKW zum Entladen in die Gegend um Beli Manastir nahe der Grenze zu Ungarn. Auch diese Region Kroatiens wurde vom Bürgerkrieg heimgesucht. Auf der Fahrt zwischen Osijek und Beli Manastir sind immer noch Kriegsschäden zu sehen. Obwohl über hundert Kilometer entfernt leben auch hier Menschen, die von der Gemeinde in Slavonski-Brod unterstützt werden. In Popovac entladen wir dann mit Unterstützung vieler Helfer vor Ort die Fahrzeuge. Anschließend essen wir zu später Stunde gemeinsam im Garten einer Familie. Man zeigt uns die Schäden, die die Serben bei ihrem Rückzug angerichtet haben. Ein ehemaliger Bewohner führt uns in sein Haus, das von außen einen weitestgehend unversehrten Eindruck macht. Innen ist alles verwüstet und systematisch zerstört. Sogar in der Decke klafft ein riesiges Loch. Es wird wohl sehr aufwendig werden, dieses Gebäude wieder bewohnbar zu machen. Wieder zurück in Slavonski-Brod nutzen wir die restlichen Stunden der Nacht zum Schlafen und treten am späten Vormittag den Heimweg nach München an. Rückwirkend kann man diesen Transport, trotz der großen und zahlreichen Schwierigkeiten, die uns in der Vorbereitungsphase entgegentraten und des verhältnismäßig kleinen Umfanges von nur 9 Mitarbeitern und vier Fahrzeugen, als vollen Erfolg werten. Letztlich wurde mit der Direktlieferung nach Bosnien ein neues Kapitel aufgeschlagen. Christoph Pongratz (TSW Mitarbeiter)