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Auch wenn sich die Vorbereitungen des 29. Transportes sehr schwierig
gestalten, können wir am Freitag-Abend mit vier Fahrzeugen und entsprechender
Verspätung in München starten. Erstmalig wird die Ladung
eines der Fahrzeuge direkt nach Bosnien deklariert. Hierfür werden
von der Salzburger Organisation "Bauern helfen Bauern", die uns auch
wieder ein Fahrzeug zur Verfügung stellt, alle nötigen Vorbereitungen
getroffen und wir können die Papiere für Bosnien fertig in Salzburg
übernehmen. Aus zolltechnischen Gründen müssen wir
diesmal von unserer gewohnten Route über die Tauern-Autobahn
und Lubljana abweichen und über Graz - Maribor fahren. Wir stellen
fest, dass sich diese Strecke fahrtechnisch und entfernungsmäßig
kaum von der bisherigen unterscheidet. Erfreulicherweise sind an den
Grenzen die Speditionen sehr entgegenkommend, indem sie alle vier
Fahrzeuge mit nur einer Gebühr abrechnen. Dies war bisher an
den Stationen am Karawanken-Tunnel und in Bregana nicht möglich. Bis
auf geringfügige Schwierigkeiten an der kroatischen Grenze bezüglich
eines ungenauen Zertifikates für Lebensmittel können wir diese
ohne weitere Probleme passieren. Die übrige Fahrt verläuft
ohne Zwischenfälle. Bei Zagreb treffen wir auf unsere alte Strecke
und benutzen die Autobahn bis Slavonski-Brod. Früh am Morgen
des Pfingst-Sonntages brechen wir mit dem LKW für Bosnien und
einem Pkw in Richtung Odzak auf. Da Gerüchten zufolge keine Hilfstransporte
an der Fähre nahe Odzak mehr abgewickelt werden, fahren wir den
Umweg über Orasje. (Außerdem wurde dieser Grenzübergang
für die Ausfuhr in unseren Transit-Papieren vermerkt). Auch hier
verkehrt eine Fähre über die Save und verbindet Kroatien
mit Bosnien. Eine Brücke befindet sich allerdings zur Zeit im
Wiederaufbau. Die Grenzstation in Form von vorübergehend aufgestellten
Wohn-Containern befindet sich auf einem großen Schotterplatz.
Hier ist sogar diverser Warenverkehr zu beobachten. Nach der lapidaren
Auskunft, der Zoll arbeite am Sonntag/Feiertag nicht und wir uns schon
auf Schwierigkeiten einstellen, kommt ein Grenzbediensteter mit dunkler
Sonnenbrille hinter einem Container hervor und fertigt uns ab. Somit
sind wir dann doch noch in der Lage, wenn auch verspätet, unseren
Weg nach Odzak fortzusetzen. Die Region zwischen Orasje und Odzak
ist abschnittsweise besonders schwer vom Krieg gezeichnet. Viele Dörfer
sind vollständig zerstört und seit langem nicht mehr bewohnt.
Mittlerweile wachsen die Ruinen völlig zu und sind durch das dichte
Buschwerk kaum noch zu erkennen. Hierher wird wohl auch langfristig
niemand mehr zurückkehren. Nach längerer Fahrt treffen wir
letztendlich in Odzak ein. Die ca. einstündige Wartezeit auf
den Zollbeamten (zu dem wir schließlich zu der nächstgelegenen
Grenzstation fahren müssen) nutzen wir zu einem Gespräch
mit dem anwesenden Pater Don Philippe. Anschließend entladen
wir die für das Krankenhaus in Odzak bestimmten Güter. Der
Großteil der Ladung des LKW ist jedoch für des Behinderten-Heim
in Jakes bestimmt. Diese Anlage haben wir während unseres letzten
Transportes im Rahmen einer Erkundungsfahrt bereits besucht. Nun ist
es uns erstmals möglich, Hilfsgüter direkt in die bosnische Republik
Srbska zu bringen. Obwohl uns die Mitarbeiter in Odzak bei den Formalitäten
zur Weiterfahrt nach Srbska behilflich sind und sich auch anderweitig
für die behinderten Menschen in Jakes einsetzen, begleiten sie
uns nicht. Laut Auskunft einer Mitarbeiterin von Don Philippe wollen
sie kein serbisches Gebiet betreten. Unsere Ankunft in Jakes ruft
starke Neugier und vor allem große Freude bei den Heimbewohnern
hervor. Sie kommen aus allen Ecken und Winkeln der Anlage hervor und
können nur mit Mühe von den Pflegern zurückgehalten werden.
Hier wird das ganze Elend, in dem sich diese Menschen befinden, deutlich.
Viele von ihnen tragen nur zerlumpte Kleidung und befinden sich in
einem hygienisch erbärmlichen Zustand. Der Mangel an vielen Dingen
des täglichen Lebens ist nicht zu übersehen. Für fast
alle dieser Leute scheint das Glück vollkommen, als sie eine
Packung Zigaretten, die wir verteilen, bekommen. Gemeinsam mit der
Heim-Leitung entladen wir den LKW, der Kleidung, Lebensmittel, Medizin-Schränke
und eine komplette Großküche geladen hat. Wir hoffen, hiermit
die Zustände ansatzweise zu lindern. Ein Staat wie Bosnien, der
durch den zurückliegenden Krieg in Problemen zu versinken scheint,
wird wohl kaum den Willen und die Mittel haben, sich dieser Menschen
in näherer Zukunft anzunehmen. Somit ist es nur sinnvoll, eine
Aktion wie diese zu wiederholen. Nach einem kurzen Gespräch mit
der Heimleitung verabschieden wir uns und treten die Rückfahrt
an. Auf der Fahrt zwischen Jakes und Odzak werden wir von einem serbischen
Polizeiposten aufgehalten. Während der Pkw noch durchgewunken
wird, muss der deutlich als Hilfstransport gekennzeichnete LKW anhalten.
Nachdem die ordnungsgemäß mitgeführten Papiere vorgezeigt
wurden, wird auf ein kleines Gebäude am Straßenrand hingewiesen,
das offenbar ein Versicherungsbüro beherbergt. Sofort werden
für den LKW DM 100,-- und für den Pkw DM 50,-- "Versicherungsprämie"
fällig. Da nach Rücksprache mit unseren Haftpflichtversicherungen
diese auch in Bosnien greifen und in diesem Staat auch immer nur im
serbischen Teil in unterschiedlicher, willkürlicher Höhe abkassiert
wird, scheint hier absolut keine einheitliche Regelung zu bestehen.
Diese Tatsache lässt vielmehr auf ein völlig unfähiges,
korruptes, in keiner Weise auf irgend eine Art kompetentes Verwaltungssystem
schließen. Die Zukunft eines Staates, der solche Machenschaften
billigt und vermutlich auch unterstützt, kann sich nicht positiv
entwickeln. Den fragwürdigen Versicherungsbescheid in der Tasche
wählen wir den direkten Rückweg über Bosanski-Brod
und die Brücke nach Slavonski-Brod. Bemerkenswert ist, dass diese
nicht mehr, wie in der Vergangenheit üblich, von SFOR-Truppen
gesichert ist. Die Lage hat sich hier wohl weiter entspannt. Am Abend
des selben Tages fahren wir dann die restlichen drei LKW zum Entladen
in die Gegend um Beli Manastir nahe der Grenze zu Ungarn. Auch diese
Region Kroatiens wurde vom Bürgerkrieg heimgesucht. Auf der Fahrt
zwischen Osijek und Beli Manastir sind immer noch Kriegsschäden
zu sehen. Obwohl über hundert Kilometer entfernt leben auch hier
Menschen, die von der Gemeinde in Slavonski-Brod unterstützt
werden. In Popovac entladen wir dann mit Unterstützung vieler
Helfer vor Ort die Fahrzeuge. Anschließend essen wir zu später
Stunde gemeinsam im Garten einer Familie. Man zeigt uns die Schäden,
die die Serben bei ihrem Rückzug angerichtet haben. Ein ehemaliger
Bewohner führt uns in sein Haus, das von außen einen weitestgehend
unversehrten Eindruck macht. Innen ist alles verwüstet und systematisch
zerstört. Sogar in der Decke klafft ein riesiges Loch. Es wird wohl
sehr aufwendig werden, dieses Gebäude wieder bewohnbar zu machen.
Wieder zurück in Slavonski-Brod nutzen wir die restlichen Stunden
der Nacht zum Schlafen und treten am späten Vormittag den Heimweg
nach München an. Rückwirkend kann man diesen Transport,
trotz der großen und zahlreichen Schwierigkeiten, die uns in
der Vorbereitungsphase entgegentraten und des verhältnismäßig
kleinen Umfanges von nur 9 Mitarbeitern und vier Fahrzeugen, als vollen
Erfolg werten. Letztlich wurde mit der Direktlieferung nach Bosnien
ein neues Kapitel aufgeschlagen. Christoph Pongratz (TSW Mitarbeiter)
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