|
Nach einer annähernd reibungslosen Fahrt mit überraschend
kurzen Grenzwartezeiten traf der Konvoi des 26. TSW-Transportes Samstag
Abend gegen 20.00 Uhr in Slavonski-Brod ein. Die acht Fahrzeuge konnten
noch am selben Abend vollständig entladen werden. Leider war
es uns auf dieser Fahrt nicht möglich, neben Kleidung, Bau- und Sanitärmaterial
sowie verschiedenen Medikamenten auch Lebensmittel zu überbringen.
Wir sind allerdings zuversichtlich, dass dies beim nächsten Transport
im Februar wieder möglich sein wird. Mit dabei waren diesmal zahlreiche
neue Mitarbeiter aus Berlin und Celle mit ihren Fahrzeugen. Außerdem
wurden wir von einem Journalisten der Abendzeitung, der an einer Reportage
über TSW, den Transport und die Situation in der Region Slavonski-Brod
arbeitet, begleitet. Es bleibt zu hoffen, dass diese Arbeit zu einer
positiven Resonanz bei der Bevölkerung führt und unsere Aktion
dadurch wieder mehr in der Öffentlichkeit bekannt wird. Mit großer
Freude stellten wir nach unserer Ankunft fest, dass die Gemeinde in
Slavonski-Brod ein neues ãCentarÒ in Form eines kleinen Hauses gefunden
hat und uns somit endlich wieder eine richtige, wenn auch räumlich
sehr begrenzte, Unterkunft zur Verfügung steht. Das Gebäude
soll nach und nach zu einer neuen Wirkungstätte der Gemeinde
ausgebaut werden. Es wäre mit Sicherheit sehr motivierend, am
Aufbau des Zentrums aktiv mitzuwirken und auf diesem Wege die Arbeit
von Zdravko und Lilli zu unterstützen. Wie bei unserem letzten
Aufenthalt in Slavonski-Brod konnte auch diesmal wieder der Eindruck
einer sich langsam normalisierenden Lage gewonnen werden. Tatsache
ist jedoch, dass sich hinter der Fassade eines sich bescheiden entwickelnden
Wohlstandes in Form von gefüllten Schaufenstern und regen Lebens
in vielen Cafes und Kneipen eine große Zahl von Problemen auftürmt,
deren Lösung noch in weiter Ferne zu liegen scheint. Die Preise der
angebotenen Ware sind verhältnismäßig hoch (vergleichbar
mit Deutschland). Das durchschnittliche Einkommen eines Arbeitnehmers
beträgt jedoch nur umgerechnet ca. 400,-- DM. Viele Leute, insbesondere
die Flüchtlinge, deren Zahl derzeit in Slavonski-Brod immer noch
bei ca. 16000 liegt, müssen mit sehr viel weniger über die
Runden kommen. Verschiedene Besuche bei Flüchtlingsfamilien verdeutlichten
deren augenblickliche Situation. Viele Familien leben in winzigen,
feuchten Räumen ohne Heizung und Wasser. Die Unterkünfte
bestehen teilweise nur aus notdürftig instandgesetzten Scheunen,
Kellern oder Garagen. Für viele gibt es immer noch keine konkrete
Aussicht auf eine baldige Rückkehr in ihre Heimatorte. Während
diversen Aussagen zufolge Heimkehrern nach Ost-Slavonien dort sehr
feindselig begegnet wird (teils Sprengstoffanschläge auf neu
renovierte Gebäude), soll das Verhältnis zwischen den verschiedenen
Nationalitäten in Zentralbosnien bedeutend besser sein. Aber
in Bosnien und auch im weniger zerstörten Slavonski-Brod gibt es kaum
Zukunftsperspektiven für diese Leute, da die ganze Region mit
einer sehr hohen Arbeitslosenrate zu kämpfen hat. Die industrielle
Produktion ist noch nicht wieder aufgenommen, da die Anlagen immer
noch zerstört sind und eine entsprechende Infrastruktur nicht mehr
existiert. Vor dem Krieg waren im Raum Slavonski-Brod ca 50.000 Menschen
beschäftigt. Am Sonntag benutzten wir die erst seit wenigen Tagen
für die Öffentlichkeit wiedergeöffnete Brücke zwischen Slavonski-Brod
und Bosanski-Brod. Die Brücke ist immer noch von der SFOR militärisch
gesichert und streng überwacht. Erfreulich ist jedoch, dass auf
diesem Wege die Menschen wieder die Möglichkeit haben, ohne große
Umwege das andere Ufer der Save zu erreichen. Wie sich die Verständigung
mit der nunmehr rein serbischen Bevölkerung in Bosanski-Brod gestaltet,
ist noch nicht abzusehen. Man sieht Leute mit Taschen und Gepäck
zu Fuß über die Brücke gehen, andererseits wird wieder
von Anfeindungen gesprochen. Eine Familie (Mischehe serbisch/kroatisch)
konnte sich nur durch Aufmalen von serbischen Zeichen auf ihr Haus
vor Vandalismus und Belästigungen schützen. Die Stadt Bosanski-Brod
bietet unverändert ein Bild der totalen Zerstörung und Hoffnungslosigkeit.
Die Häuserzeilen am Save-Ufer bestehen ausschließlich aus
Ruinen. Anders als auf kroatischer Seite herrscht kaum Verkehr auf
den Straßen und es ist kaum Handel oder gewerbliche Infrastruktur
erkennbar. Es fehlt an den elementarsten Dingen des täglichen
Lebens. Immer wieder sind zerlumpte, verschmutzte Kinder mit trostlosem
Gesichtsausdruck zu sehen. Es gibt so gut wie keinen Hinweis auf einen
bevorstehenden Wiederaufbau der Stadt. Beim Besuch einer Familie,
die von der Gemeinde in Slavonski-Brod unterstützt wird, konnten
wir uns ein Bild von der Situation machen, in der sich zur Zeit viele
Menschen in Bosanski-Brod befinden. Man lebt in einer zur Wohnung
umfunktionierten Garage in sehr beengten Verhältnissen. Am eigentlichen
Wohnhaus sah man provisorisch eingebaute Fensterrahmen, die wohl von
TSW ãgeliefertÒ wurden. Auf diese Art wird versucht, schrittweise
wieder winterfesten Wohnraum zu schaffen. Von Bosanski-Brod aus nahmen
wir die Landstraße in Richtung Odzak. Die Region am südlichen
Save-Ufer ist größtenteils zerstört und nahezu unbesiedelt.
Aufgrund der Minenverseuchung ist kaum Landwirtschaft möglich. Fast
alle Flächen sind unbestellt, nur gelegentlich sind einzelne
Parzellen bewirtschaftet. In vielen Dörfern sind nur einige wenige
Gebäude bewohnt. Im Gegensatz dazu ist im föderativen Teil Bosniens
ein bescheidener Aufschwung erkennbar. Immer wieder sind Häuser
zu sehen, die instandgesetzt werden. Viele Leute versuchen, sich hier
neu niederzulassen. Angeblich werden diese Maßnahmen mit EU-Geldern
unterstützt. In Odzak wurde soeben der Rohbau der neuen katholischen
Kirche fertiggestellt. Das Grundstück, auf dem die im Krieg völlig
zerstörte Moschee stand, ist jedoch immer noch leer. Verschiedenen
Aussagen zufolge würden auch hier Gelder fließen, doch
ein großer Teil davon würde in dunklen Kanälen verschwinden.
Auf dem Rückweg nach Slavonski Brod benutzten wir die Fähre,
die hier Bosnien mit Kroatien verbindet. Durch den Umstand, dass die
Fähre im Uferschlamm festsaß und erst nach vielen vergeblichen
Versuchen freikam, hatten wir Zeit, mit einer österreichischen Hilfsorganisation,
deren Fahrzeuge zufällig auf der selben Fähre waren, zu
sprechen. Diese Organisation baut gegenwärtig Holzhäuser
für sehr bedürftige Familien. Wir werden versuchen, mit
dieser Gruppe in Kontakt zu bleiben und entsprechendes Informationsmaterial
zu bekommen. Noch am selben Abend trat ein Teil der Fahrer die Heimreise
nach München an. Einige Leute hatten am nächsten Tag noch
die Möglichkeit, sich vor Ort umzusehen. Am Dienstag, den 09.12.97,
kehrten auch die letzten Fahrzeuge zurück nach München.
Somit konnte der 26. TSW-Transport erfolgreich abgeschlossen werden.
Christoph Pongratz (TSW-Mitarbeiter) |
|
|