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Wie im vergangenen Jahr wurden auch heuer wieder die Osterfeiertage
zur Durchführung eines Transportes nach Slavonski Brod genutzt.
Wie gewöhnlich starteten wir gegen 21.00 Uhr in der Birkerstraße.
Diesmal bestand der Konvoi ãnurÒ aus 6 Fahrzeugen mit insgesamt 12
Teilnehmern. Die Fahrt bis zur slowenischen Grenze verlief routinemäßig.
Leider konnte die Frage zur Befreiung von der Vignetten- Pflicht in
Österreich noch nicht geklärt werden. An der slowenischen Grenze
wurden die üblichen Formalitäten verhältnismäßig
rasch abgewickelt. Verzögert wurde die Abfertigung dann allerdings
doch durch den Umstand, dass bei einem Fahrzeug das fehlende Planenseil
beanstandet wurde. Dadurch war eine Verplombung nicht möglich. Da
man sich nicht anders einigen konnte, musste ein Fahrzeug in die nächste
Stadt fahren und ein entsprechendes Seil besorgen. Die weitere Fahrt
durch Slowenien und Kroatien verlief problemlos. Zu unserer †berraschung
mussten wir im Gegensatz zum letzten Transport für die kroatische
Autobahn keine Gebühr entrichten. Auf der Rückfahrt wurde
diese jedoch wieder unnachgiebig verlangt. Hier scheint offenbar keine
einheitliche Regelung zu bestehen. Es wurde lediglich auf die Möglichkeit
hingewiesen, das Verkehrsministerium in Zagreb in dieser Angelegenheit
zu konsultieren. Am Abend des Karfreitag trafen wir in Slavonski Brod
ein. Als Entlade- und Lagerplatz wurde uns diesmal eine alte Zitadelle
zugewiesen, die in der jüngsten Vergangenheit der jugoslawischen
Armee als Kaserne diente. Die mitunter historischen Gebäude dieser
Anlage sind teilweise stark beschädigt. Unsere Hilfsgüter
(Kartoffeln, Matratzen, Betten, Baumaterial usw.) wurden in zwei alten
Kellergewölben untergebracht. Auch diesmal waren wieder viele Helfer
zugegen. Leider stand uns diesmal das ãOmladinski Evandeoski CentarÒ
als †bernachtungsmöglichkeit nicht mehr zur Verfügung. Die schon
länger bestehenden Differenzen zwischen dem Gemeinde- und Jugendpfarrer
in Slavonski Brod und der Kirchenführung in Zagreb haben schließlich
zu einem gerichtlichen Räumungsbeschluss geführt. Wir hoffen
in dieser Angelegenheit aber auf eine positive Wende. Man konnte uns
allerdings einen anderen Raum im Untergeschoss eines großen
Wohnhauses besorgen. Am nächsten Tag statteten wir dem Hauptquartier
der amerikanischen SFOR-Streitkräfte in Slavonski Brod einen
Besuch ab. Wir wurden sehr freundlich empfangen und in das Büro
des Kommandanten gebeten. Hier erhielten wir viele nützliche
Informationen über die Lage in der Region Slavonski Brod und
im angrenzenden Bosnien. Vor allem in Bosanski Brod, das angeblich
von den serbischen Behörden jetzt in Srpska Brod umbenannt worden
ist, sei die Situation äußerst schlecht. Einem Gerücht
zufolge vermint die serbische Polizei das Südufer der Save. Auch
die Insel zwischen beiden Städten sei stark vermint. Diese Problematik
trifft auf das ganze Staatsgebiet von Bosnien- Herzegowina zu. Es
werden dort ca. 8 Mio. Minen vermutet. Auch auf kroatischem Gebiet
könne man nicht völlig sicher sein, doch das Problem sei weitaus nicht
so groß wie in Bosnien. Da der Großteil der Industrie
in Bosanski Brod zerstört ist, beträgt die Arbeitslosenquote
ca. 50 %. Das Warenangebot ist knapp, die Preise sind sehr hoch und
die Qualität der Ware, die oft nur auf dem Schwarzmarkt angeboten
wird, ist schlecht. ãWe are survivingÒ umschreibt eine Soldatin bosnischer
Herkunft, die bei der SFOR eine Anstellung als Dolmetscherin gefunden
hat, die Situation. Sie selbst könne sich eine Zukunft in diesem Land
nicht mehr vorstellen und wolle dies Ihren Kindern ebenfalls ersparen.
Sehr pessimistisch beurteilen Fachleute der SFOR die weitere Entwicklung
im ehemaligen Jugoslawien. Nachdem die SFOR-Einheiten voraussichtlich
im Juni 1998 abziehen werden, erwartet man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
ein Wiederaufflammen der Kampfhandlungen. Beide Seiten seien hoch
gerüstet und lediglich die SFOR stelle zur Zeit die Kraft dar,
die beide Parteien voneinander trennt. Ein weiteres Problem zeichnet
sich in nächster Zeit durch die vielen rückkehrenden Binnenflüchtlinge
und Heimkehrer aus Westeuropa ab. Es ist kaum Wohnraum für sie
vorhanden, von Arbeit ganz zu schweigen. Angeblich würde jetzt
auch die Rückkehr anderer Volksgruppen in serbisch kontrolliertes
Gebiet geduldet, doch Berichte, dass Vertriebene gewaltsam an ihrer
Heimkehr gehindert werden, beweisen das Gegenteil. Dem Gedanken, auch
den bedürftigen Menschen in Bosanski Brod zukünftig unsere
Hilfe zukommen zu lassen, stand man sehr offen gegenüber, obwohl
darauf hingewiesen wurde, dass dies wohl nicht sehr einfach werden
würde. Die Brücke darf bis jetzt nur von SFOR-Fahrzeugen
benutzt werden und wird nicht als internationaler Grenzübergang
anerkannt. Alle weiteren Entscheidungen würden von der jeweiligen
Grenzpolizei getroffen. Man sicherte uns allerdings die Unterstützung
der SFOR zu. Vielleicht gelingt es uns, mit einer norwegischen Hilfsorganisation,
die auf der bosnischen Seite tätig ist, Kontakt aufzunehmen.
Am Abend dieses Tages feierten wir zusammen mit den Leuten der Gemeinde
einen Ostergottesdienst mit anschließendem Essen und geselligem
Beisammensein. Noch vor dem Frühstück in unserer Unterkunft
vernahmen wir das dumpfe Grollen einer vorbeifahrenden Panzereinheit
der SFOR, die in Richtung Brücke nach Bosanski Brod unterwegs
war. Auch am späteren Vormittag des Ostersonntages sahen wir
noch weitere Einheiten mit schwerem Gerät. Unser Gemeindepfarrer
Zdravko bemerkte, es gäbe wohl Probleme in Bosnien, da auch schon
am vergangenen Tage sehr viel Polizei und Armeehubschrauber unterwegs
waren. Den weiteren Sonntag nutzten wir zu einer Erkundungsfahrt in
die Region Okucani und Lipic. Nach ca. zweistündiger Fahrt durch
teilweise immer noch zerstörte kroatische Dörfer trafen wir schließlich
im ehemaligen Kurort Lipic ein. Diese Stadt verfügte vor dem
Krieg über ein bekanntes Thermalbad mit entsprechender Kurklinik,
in der auch viele deutsche Patienten behandelt wurden. Nachdem serbische
Einheiten aus der umliegenden Gegend die Stadt eingenommen hatten
und die kroatische Armee diese wiederum mit einem Angriff zurückeroberte,
ist von der Stadt und ihren Einrichtungen nicht mehr viel übrig.
Bei diesen Kämpfen sollen angeblich sehr viele Menschen umgekommen
sein. Zwischen den stark zerstörten, vormals teils sehr schönen, alten
Gebäuden der Klinikanlage ist noch der einstige Kurpark zu erkennen.
Es wird sicherlich noch sehr lange dauern, bis hier der Betrieb wieder
aufgenommen werden kann. Doch an anderen Ecken der Stadt ist das zurückkehrende
Leben in Form von neu eröffneten CafŽs und Läden zu erkennen.
Später fuhren wir wieder über die Hügelkette zurück
in die Dörfer um Okucani. Dort verbrachten wir zusammen mit Freunden
aus der Gemeinde einen heiteren Nachmittag. Zuvor wurde auf dem Grundstück
einer befreundeten Familie eine kleine Osterandacht mit Musik, Gesang
und einem anschließenden, reichhaltigen Mittagessen zelebriert.
Erst während der beginnenden Abenddämmerung traten wir die
Rückfahrt nach Slavonski Brod an. Auf dem Weg waren erfreulicherweise
zwischen vielen Ruinen auch Häuser zu sehen, die einen neuen
Dachstuhl erhalten haben oder die völlig neu aufgebaut wurden. Dies
ist vielleicht, trotz aller negativen Prognosen, ein Zeichen der sich
langsam normalisierenden Lage und vor allem der Hoffnung für
die Zukunft in diesem Land.. Zurück in Slavonski Brod verbrachten
wir noch einen sehr geselligen und heiteren Abend. Den Ostermontag
mussten wir dann wieder zur Heimreise nutzen. Die Fahrt dauerte aufgrund
sehr starken Rückreiseverkehrs in Slowenien länger als vorgesehen.
In den frühen Morgenstunden des 01.04.97 trafen wir schließlich
wieder in München ein. Hinter uns lag ein sehr schönes und vor
allem informatives Osterwochenende. Christoph Pongratz (TSW Mitarbeiter)
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